Sobald Sie sich an das Lesen vom Schulgesetz und von Erlassen machen, stoßen Sie zwangsläufig auf immer wieder vorkommende Formulierungen, die Sie zwingend richtig interpretieren und deuten müssen. Das Problem beim richtigen Deuten und Interpretieren dieser Texte liegt in der meist unterschiedlichen Bedeutung der Rechtssprache und der Umgangssprache.

Beispiel:

Die Formulierung „in der Regel“ hat umgangssprachlich oft eine schwammige Bedeutung. Wenn mir jemand sagt, dass er in der Regel pünktlich ist, dann entsteht bei mir das Bild, dass er sich zwar immer bemüht pünktlich zu sein, es jedoch nicht immer schafft.

Im Gesetzestext hat die Formulierung „in der Regel“ jedoch eine ganz klare Bedeutung. Schauen wir uns mal ein paar Formulierungen an:

in der Regel

Die Formulierungen „in der Regel“ ist eine der stärksten und verbindlichsten Formulierungen bei Gesetzestexten. Sie bedeutet, dass der Sachverhalt genau so und nicht anders durchzuführen ist. Eine Ausnahme ist nicht zulässig! Es gibt keinen Ermessensspielraum!

Und das steht schon fast im Widerspruch zu meinem anfänglichen Bild zum Thema Pünktlichkeit.

Beispiel aus einem Gesetz/Erlass:
In der Regel erhält jeder Schüler am Ende eines Schuljahres ein Jahreszeugnis.

Diese Formulierung ist eindeutig. Unter allen Umständen wird das passieren, ohne Ausnahme.

muss

Die Formulierungen „muss“ ist auch eine der stärksten und verbindlichsten Formulierungen in Gesetzestexten. Sie bedeutet, dass der Sachverhalt genau so und nicht anders durchzuführen ist. Eine Ausnahme ist auch hier nicht zulässig und es gibt keinen Ermessensspielraum!

Beispiel aus einem Gesetz/Erlass:
„Eine Schülerin oder ein Schüler muss den 4. Schuljahrgang wiederholen, wenn die Leistungen in zwei der Fächer Deutsch, Mathematik und Sachkunde schlechter als ausreichend bewertet worden sind.“

Diese Formulierung ist ebenfalls eindeutig. Unter allen Umständen wird das passieren, ohne Ausnahme!

grundsätzlich

Die Formulierung „grundsätzlich“ ist immer noch eine sehr verbindliche Formulierung. Anders als „in der Regel“ lässt die Aussage „grundsätzlich“ Ausnahmen in einem sehr engen und genau zu prüfenden Ermessensspielraum zu. Auf Fortbildungen hört man immer wieder den schönen Satz „… Grundsätzlich läutet das ABER ein …“.

Beispiel aus einem Gesetz/Erlass:
Die Lehrkräfte erteilen Unterricht grundsätzlich in solchen Fächern und Schulformen, für die sie die Lehrbefähigung erworben haben, […]

Mit einer sachlich, fachlich oder pädagogischen Abwägung sind Ausnahmen möglich, wenn sie den Ermessensspielraum nicht überschreiten und pflichtgemäß geprüft werden. Das würde bedeuten, dass ich eine Lehrkraft, die die Fächer Deutsch, Mathematik und Sport studiert hat, auch zusätzlich z. B. im Fach Kunst einsetzen kann. Dies geschieht im Bereich der Grundschule eigentlich immer, dass Lehrkräfte fachfremd (so nennt man das) unterrichten müssen. Die Begründung hierbei ist, dass es meist keine Lehrkräfte an der Schule gibt, die das besagte Fach studiert haben. Erteilt werden muss es aber dennoch.

Eine Überschreitung des Ermessensspielraumes kann und wird vorliegen, wenn ich eine Lehrkraft nur fachfremd einsetze, sie also nur Fächer unterrichten muss, die sie nicht studiert hat.

sollte

Die Formulierung „sollte“ ist immer noch eine sehr verbindliche Formulierung und ist nah am muss. Ausnahmen sind jedoch in begründeten Fällen möglich und zulässig.

Beispiel aus einem Gesetz/Erlass:
Schülerinnen und Schülern, die infolge einer längerfristigen Erkrankung die Schule nicht besuchen können, soll Unterricht zu Hause oder im Krankenhaus in angemessenem Umfang erteilt werden.

Eine logische und begründete Ausnahme wäre hier – ganz pragmatisch – das Fehlen von zur Verfügung stehenden Stunden. Jede Schule hat immer ein paar Stunden „über“, die nicht für den Pflichtunterricht aufgewendet werden müssen. Meist sind das dann Förderstunden oder Stunden, bei denen zwei Lehrkräfte gleichzeitig in einer Klasse unterrichten. Das bietet sich bei sehr herausfordernden Klassen an. Wenn nun keine Stunden da sind und gerade der Pflichtunterricht erteilt werden kann, ist es auch nicht möglich, Stunden für den Krankenhausunterricht oder für den Hausunterricht bereitzustellen. Es muss natürlich versucht werden, aber wenn keine Ressourcen vorhanden sind, geht es jedoch nicht.

kann

KANN“ ist wesentlich schwächer als „sollte“ und auch viel weiter weg vom „muss“, aber definitiv kein „egal!

Es gibt einen großen Ermessensspielraum – man könnte auch sagen, dass sich „ja“ und „nein“ fast die Waage halten. Dennoch sollte man zunächst von einem „nein“ ausgehen. Jedoch dürfen die pädagogischen Überlegungen und Gründe des Abwägens vielfältig und breit gefächert sein. Auf jeden Fall müssen sie nachvollziehbar sein und dürfen nicht gegen anerkannte pädagogische Grundsätze verstoßen.

Beispiel aus einem Gesetz/Erlass:
Für einzelne oder alle Klassen von Schulen des Primarbereichs und des Sekundarbereichs I kann durch die Schulleiterin oder den Schulleiter Hitzefrei gegeben werden, wenn der Unterricht durch hohe Temperaturen in den Schulräumen erheblich beeinträchtigt wird und andere Formen der Unterrichtsgestaltung nicht sinnvoll erscheinen.

Also muss hier genau von der Schulleitung abgewogen werden, ob Hitzefrei gegeben wird oder nicht. Die Chancen stehen aber gut!

Mehr zum Thema „Hitzefrei“ gibt es übrigens hier auf der Infoseite oder im Blog

Meine Meinung:

Gesetze sind nicht immer leicht zu lesen, da sie stets eindeutig sein müssen. Es hilft jedoch, das geschriebene Wort für Wort zu lesen und es genauso zu nehmen. Beim Wort.

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Björn Bauch

Über mich:

Ich bin seit 23 Jahren im niedersächsischen Schuldienst tätig, 13 Jahre davon als Leiter einer 3-zügigen Grundschule. Mein Anliegen ist das Helfen bei schulischen Fragen, das Herstellen von Transparenz sowie – das möglicherweise – Richtigstellen von falschen Annahmen in Bezug auf die Rechtslage.

Schon vor vielen Jahren habe ich diese Webseite sukzessive erstellt, um die immer wieder auftretenden Fragen bei Eltern beantworten zu können.

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